»Schreiben über Musik ist wie Tanzen über Architektur.«

(Elvis Costello)

Neben meinen eigenen musikalischen Ambitionen, war ich von 1998 bis 2005 gelegentlich auch als Musikjournalist für die Hamburger Morgenpost und verschiedene Musikmagazine im Einsatz. Als mitfühlender Musiker fielen meine CD- und Konzert-Rezensionen jedoch äußerst wohlwollend aus, sodass ich auf Konzerten und Aftershow-Partys zwar stets ein gern gesehener Gast war, von meinen schreibenden Kollegen, die sich um Purlitzer-Preise und ernsthafte Investigation bemühten, allerdings eher belächelt wurde. Für mich war diese Zeit dennoch prägend, zumal hier meine schriftstellerischen Geister geweckt wurden. Ein kleiner Auszug dieser meist trivialen »Liebenswürdigkeiten« ist unten nachzulesen. Pure Koketterie und nur für den Fall, dass es jemanden interessiert;))



Neuer Trend: Studio-Striptease -

Immer mehr Künstler schwören im Studio auf nackte Haut

05.07.2005 / Diverse

 

Wenn Rockstars in den sechziger und siebziger Jahren ein Studio aufsuchten, um ein neues Album einzuspielen, konnte man für gewöhnlich davon ausgehen, dass eine nicht unerhebliche Menge an eingenommenen Bewußtseinserweiterungs-Substanzen Einfluss auf des Künstlers Arbeit nahmen. Die Folge waren mitunter schwere psychedelische Abhandlungen über Erdbeerfelder und Sternenbilder sowie vollgekotzte Mikrofone und Studiosofas.

Doch die Zeiten, in denen für Dealer und Notarzt neben dem Produzenten feste Plätze im Aufnahmeraum reserviert waren, sind endgültig vorbei. Stattdessen haben dort längst Ernährungsberater und Erleuchtete Einzug erhalten, die mit Yoga-Übungen, veganen Speisen und Entschlackungstees den Rockstar zu kreativen Höchstleistungen animieren sollen. Doch auch der mittlerweile schon fast asketisch gehaltene Künstler versteht seinen Studioaufenthalt zunehmend als eine Art Selbsterfahrungstrip und so tut er einiges dafür, sich während der Aufnahme eines neuen Albums so richtig wohlfühlen zu können: So verwandelt bspw. der überzeugte Anhänger fernöstlicher Entspannungstechniken Gordon Summer alias Sting das Studio regelmäßig in einen Meditationstempel, während Madonna sich erst so richtig entspannen kann, nachdem ihre Kinder - zur Freude des Produzenten – mit Malstiften und Schokoladenfingern die kargen Studiowände in geschmackvollen Farben neu designt haben.

Als Trendsetter aber wird wieder einmal Blondinentröster und Enfant Terrible Robbie Williams, gehandelt. Sein Geheimrezept für gute Aufnahmen: Studio-Striptease. So habe er die meisten Songs seines im Herbst erscheinenden Albums „Duets“ nackt eingesungen. „Das gibt dir eine gewisse Verletzlichkeit und Freiheit“, begründete Williams seinen Hang zum Exhibitionismus. Dabei ist „Studio-Striptease“ nicht unbedingt ein neues Phänomen. So schwört die britische Band Morcheeba schon seit Jahren auf Freikörperkultur im Studio. Auch Alanis Morissette und sogar der Ex-Beatle John Lennon sollen während ihrer Plattenaufnahmen schon mal die Hüllen fallen gelassen haben. Das Studio - ein Mekka für Nuddisten? Warum nicht! Schließlich geht es doch darum, ein Ambiente zu schaffen, das dem Künstler ein Maximum an Authentizität entlockt.  

Die kanadische Schmuse-Ikone Celine Dion denkt sogar bereits über eine Weiterentwicklung des Trends nach. So ließ sie unlängst verlauten, dass sie sich vorstellen könne, sogar nackt aufzutreten. Im Gegenzug würde sie sich darüber freuen, wenn auch ihre Zuhörer die Hüllen fallen ließen. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Form der künstlerischen Entfaltung vor Ozzy Osbourne halt macht.


Big, Bigger, Robbie

2002 – Das Jahr des Robbie Williams

29.12.2002 / RSM

 

Wärend die ehemaligen Kollegen von Take That doch tatsächlich öffentlich darüber nachdenken, ihre mittlerweile stark aufgeschwemmten Körper für ein paar Shows  noch einmal dem Kuscheltierhagel auszusetzten, plagen das einstige „enfant terrible“ der Band, Robbie Williams, derzeit ganz andere Sorgen. Schließlich steht dieser Tage sein Umzug von London nach Beverly Hills an, wo er für läppische 5,5 Millionen Euro eine bescheidene 20-Zimmer-Behausung erwarb. Doch in Anbetracht der täglich wachsenden Anzahl an Gold- und Platinalben, sowie diverser  Auszeichnungen und Preise, steht zu befürchten, dass auch das neue Domizil schon bald mit dererlei Prunk zugemüllt sein wird.

2002 - das war unbestritten das Jahr des Robbie Williams: Getragen von der Erfolgswelle des Big Band Albums „Swing When Your´e Winning“ und der dazugehörigen Show in der Royal Albert Hall, wurde Robbie bereits zu Jahresbeginn mit Auszeichnungen geradezu überschüttet. Mit der erneuten Ehrung zum „Best Male Artist“ seines Heimatlandes, konnte er gar als einziger Musiker überhaupt seinen 13. Brit-Award in Empfang nehmen, was sogar den Kollegen von Oasis einen neidvollen Hüpfer des Adamsapfels entlockte.

Es ist kein Geheimnis, dass Robbie mit nahezu 25 Millionen verkauften Alben mittlerweile konkurrenzlos an der Spitze britischen Musikexports steht. Wen wundert es da noch, dass auch von dem gerade erst veröffentlichten Werk „Escapology“ bereits in den ersten beiden Monaten mehr als 4 Millionen Stück über die europäischen Ladentische gewandert sind. Und als krönender Abschluß eines durch und durch erfolgreichen Geschäftsjahres, zog der Gebenedeite seinem Arbeitgeber auch noch den höchst dotierten Plattenvertrag aus der Tasche, den jemals ein britischer Künstler in den Händen hielt. Nahezu 80 Millionen Pfund (127 Millionen Euro!) soll sich die EMI die Vermarktungsrechte an den nächsten 3 Alben des Megastars kosten lassen haben.

Schön, dass es dem 28-jähigen darüber hinaus auch 2002 gelungen ist, seinen karitativen Verpflichtungen nachzukommen. So griff er nicht nur als bekennender Konsument und Selbstzahler rezeptpflichtiger Gemütsaufheller dem britischen Gesundheitswesen unter die Arme, sondern machte auch als Tröster abgelegter Blondinen von sich reden. Dass Beverly Hills dafür besonders geeignet ist, hat Robbie scheinbar erkannt. Dort jedenfalls, hat er sich erstmal der traurigen Rachel Hunter angenommen und sich gleich als guter Nachbar eingeführt. Schließlich wohnt Ex-Mann Rod Stewart nur ein paar Häuser weiter. Dass Robbie ihn unlängst gefragt haben soll, im Gegenzug ein paar seiner Goldtrophäen einzulagern, ist lediglich ein Gerücht.


Wenn Amors Pfeile treffen

Ron Sexsmith entdeckt die Liebe

04.05.2004 / MM

 

Spätestens nach dem dritten Durchlauf hat es auch den CD-Spieler erwischt. Überwältigt von so viel Romantik mag er den Silberling einfach nicht mehr hergeben. Egal! Schließlich erscheinen nicht häufig Alben, die einen derart berühren wie „Retriever“, das neue Werk des kanadischen Songwriters Ron Sexsmith. Endlosschleife ist angesagt. „Retriever“ – das ist Musik für´s Herz. Kein Wunder, schrieb der noch immer als Geheimtipp geltende Sexsmith sein bereits siebtes Album unter dem Einfluss Amors. Verliebt ist er – und das hört man. In Songs wie dem bittersüßen  „Tomorrow in her eyes“ oder „How on earth“ verabschiedet sich der von Kollegen wie Elvis Costello oder Paul McCartney Geadelte endgültig von der Schwermut. Nie war Sexsmith ergreifender! Und das Songwriter nur dann wirklich gut sein können, wenn die Tragödien des Lebens über sie hereinbrechen, wird hier wiederlegt. „Retriever“ ist ein wunderschönes Frühlingsalbum und der Soundtrack für alle frisch Verliebten. Davon soll es in diesen Tagen auch hierzulande eine Menge geben. 


Fischertraum und Zauberstimme -

Regy Clasen berührt mit ihrem Gesang

22.04.2004 / Hamburger Morgenpost

 

„Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser, wie kommt man darüber?“, fragt Regy Clasen auf ihrem neuen Album und sie tut das mit einer solchen Intensität, dass man sie am liebsten auf Händen über das gefürchtete Nass tragen möchte. Keine Frage; mit dem aktuellen Longplayer ist der 32-jährigen Hamburgerin etwas Besonderes gelungen: „Wie tief ist das Wasser“ ist ein wunderschönes und vor allem gefühlvolles Werk, dass mühelos den Spagat zwischen akustischem Songwirter-Material und R´n´B schafft. Fernab von allen Klischees versteht es Regy Clasen, den Zuhörer mit ihren Songs, vor allem aber mit ihrer Stimme zu berühren. Wie erfrischend in einer Zeit, in der sich überwiegend gecastetes Treibhausgemüse herumtümmelt.

Bis vor kurzem nur als Geheimtipp gehandelt, ist die charismatische Sängerin dennoch kein unbeschriebenes Blatt. So dürfte sie besonders dem Hamburger (Live-) Publikum aufgefallen sein. Schließlich ist sie doch so etwas, wie die kleine Schwester der Lokalmatadoren Stefan Gwildis und Michy Reincke, mit denen sie bereits etliche Male gemeinsam auf der Bühne stand. Reincke war es auch, der Regy bei seinem Label Rintintin erst kürzlich ein neues Zuhause gab - nachdem sie bei einer großen Berliner Plattenfirma, trotz wohlwollenden Kritiken ihres Erstlings „So nah“ aus dem Jahre 2000, wieder vor die Tür gesetzt wurde. Unter Eigenregie und frei von jeglichen Produktionszwängen hat sie dann auch ihr aktuelles Werk „Wie Tief Ist Das Wasser“ eingespielt – vielleicht klingt es deshalb so echt.

Lange jedenfalls wird es wohl nicht mehr dauern, da wird die Sängerin mit der Gänsehautstimme beim Aufsagen ihres „Fischer, Fischer“ Sprüchleins damit rechnen müssen, ganze Scharen hilfsbereiter Männer um sich zu versammeln. Wer allerdings weder über ein Boot verfügt, noch das Schwimmen beherrscht, hat schon heute abend die Gelegenheit den Anglerschein in Form einer Eintrittskarte für den Live Music Club käuflich zu erwerben. Dort nämlich wird Regy im Rahmen der neuen Eventreihe Lausche Lounge zusammen mit so illustren Kollegen, wie Zinoba-Sänger Jan Plewka oder Ex-Cucumber Men Justin Balk unplugged zu sehen sein.

Übrigens: der limitierten Erstauflage des neuen Albums liegt ein CD-Rohling mit Zugangs-Code bei, mit dem sich der Fan auf Regys Webite alle 14 Songs nochmal kostenlos als Live-Version herunterladen kann. Wenn das nichts ist ...


Ein (Rock-) Engel auf Stippvisite in Hamburg

Freddie Mercury als Musical-Held

23.12.2000 / Hamburger Morgenpost

 

Er war bereits zu Lebzeiten eine Legende: Freddie Mercury, Sänger und Frontman der britischen Rockgruppe Queen. Mit Hits, wie „Who Wants To Live Forever“, „Bohemian Rhapsody“ oder dem stampfenden „We Will Rock You“ begeisterten Mercury und seine Mannen ein Millionenpublikum. Berüchtigt für monumentale Live-Inszenierungen und Extravaganzen aller Art, galt das königliche Quartett als Inbegriff der sogenannten Glam-Rock Bewegung und dominierte vor allem in den siebziger und achtziger Jahren die europäische Musikszene. Dabei war es vor allem die  stimmgewaltige Stadionikone Mercury, der in Satinhöschen und mit abgesägtem Mirkofonständer wie kaum ein anderer das ABC des Rock´n´Roll Posertum beherrschte („so you think it`s just a microphone ...?“).   

Seit  ziemlich genau 11 Jahren nun schon, performt Engel Freddie zum Leidwesen seiner Fans nur noch auf himmlischen Wolken. Grund genug „The Singing Peacock“ noch einmal auf die Erde zu bitten. Und tatsächlich: mit dem Musical „We Are The Champions“, dass am 13. Januar auch im Hamburger CCH gastiert, scheint es zu gelingen. Denn im Gegensatz zum „We Will Rock You“-Musical, dass derzeit in London läuft und nach Abba-Prinzip lediglich Queen-Songs in eine Rahmenhandlung bettet, ist „We Are The Champions“ ganz dem Phänomen Freddie Mercury gewidmet. In einer Symbiose aus Queen-Musik, Multimedia- und Musical-Show, erinnern die Passauer Produzenten Werner und Oliver Forster, die schon mit dem Beatles Tribut „She Loves You“ große Erfolge feierten, noch einmal an die wichtigsten Stationen des Ausnahmesängers.

Dabei soll besonders der Kanadier Johnny Zatylny in der Rolle als Freddie Mercury stimmlich wie auch äußerlich eine fast schon unheimliche Ähnlichkeit mit dem Queen-Sänger aufweisen.

Darüber hinaus konnten die Produzenten sogar Freddies persönlichen Assistenten Peter Freestone gewinnen, der die Show als Erzähler begleitet und so manch pikantes Anekdötchen aus des Meisters Privatleben zu berichten weiß.

Man darf also gespannt sein!


Der Retter des Britpop

Richard Ashcroft auf Wiedergutmachungkurs im Docks

12.02.2002 / Hamburger Morgenpost

 

Kompliment an Englands Rüpelband Oasis: war es doch ein geschickter Schachzug,  den überaus smarten und ach so netten Richard Ashcroft jüngst zu ihrem offiziellen Tronfolger zu ernennen (Mopop berichtete). Wer, wenn nicht der ehmalige Sänger von The Verve, wäre schließlich in der Lage, das von den oben genannten Hooligans sorgfältig ramponierte Bild britischer Rockstars wieder gerade zu rücken. So war das, was sich am vergangenen Mittwoch im rappelvollem Docks abspielte, eine regelrechte Salbung für die arg gebeutelten Seelen der Hamburger Britpop-Fangemeinde. Allein des Künstlers Erscheinen, entlockte nicht wenigen im Publikum einen Seufzer der Erleichterung.

Was folgte, war ein mehr als überdurchschnittliches Popkonzert mit einem großartigen Aschcroft, der es verstand, mit wenigen Worten und Gesten, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Unterstützt von seiner siebenköpfigen (!) Band, setzte der 31 jährige, der sich nach jedem Song artig beim Publikum bedankt, überwiegend auf die ruhigen und besinnlichen Klänge seines neuen Albums „Human Condition“, das er nahezu komplett vortrug. Dazwischen Platz für Material seines Erstlings „Alone With Everybody“ und natürlich die Verve Klassiker „Sonnet“ und „Bitter Sweet Symphony“, welche die fast zweistündige Show würdig umrahmten.

Auch wenn Ashcroft am Ende von „Lucky Man“ mal kurz den Klischee-Rocker raushängen ließ und seine Gitarre auf dem Bühnenboden zertrümmerte, bleibt er doch eher ein leiser und melancholischer Held, der es hoffentlich niemals nötig haben wird, einen eigenen Zahnarzt mit auf Tour zu nehmen ...  

Klagte vorher noch so manch Hamburger Britpop-Fan über seelische Wunden, verstand es Ashcroft sie zu heilen. Thank You, Richard! 


Überraschend anders und doch unverkennbar:

Pet Shop Boys / Release

12.06.2002 /  Spex                                 

           

Im Gegensatz zu ihren zahlreich reanimierten Kollegen aus den 80er Jahren, die keine Gelegenheit auslassen, ihre doch mittlerweile stark aufgeschwemmten Körper in entsprechende „Erinnerungs“-Show-Formate zu zwängen, haben die Herren Tennent und Lowe so etwas nicht mehr nötig. Und das hört man. So sucht man auf RELEASE, dem mittlerweile achtem Studioalbum der Pet Shop Boys, vergeblich nach hymnenhaften Disco-Gestampfe im Stile von „Go West“ oder „New York City Boy“.

Schon mit „Home And Dry“, dem Opener und der zugleich ersten Singleauskopplung des Albums wird deutlich; hier wird Stilbruch begangen und das in einem erfreulichem Maße. So dringen statt der gewohnt vollsynthetischen und mittlerweile supermarkterprobten Gebrauchsmusik, (überwiegend) gitarrenpoporientierte Songkonstrukte aus den Boxen.

Natürlich darf man von den PSB auch 2002 keine Wunder erwarten – dafür haben die beiden Protagonisten zu viele Jahre Musik als mathematische Wissenschaft verstanden. Jedoch ist RELEASE mehr als nur ein anerkennender Versuch zu zeigen, dass man sich auch jenseits der 40 durchaus weiterentwickeln darf. Schließlich befinden sich auf diesem Album äusserst respektable Musikstücke.

So bietet das schon erwähnte „Home And Dry“ mit seiner für PSB Songs ungewöhnlichen Midtempo Rhythmik und der in diesem Zusammenhang noch ungewöhnlicheren (Chris Rea) Gitarreneinlagen den idealen Soundtrack für sommerliche Cocktailpartys. Das die im Mainstream Pop mittlerweile übliche Verwendung eines Voice Vocoder – ein Gerät, dass Produzenten alternder Pop-Diven üblicherweise dann einsetzen, um stimmliche Defizite zu verschleiern – bei sachgemässer (und sparsamer) Anwendung durchaus auch gefallen kann,  wird bei diesem und weiteren Stücken des Albums bewiesen.

Das starke „I Get Along“ vermittelt den Eindruck, man hätte es sich zur Aufgabe gemacht, den sterbenden (Neo-) Britpop  zu retten. So wären die Gebrüder Gallagher sicherlich stolz gewesen, einen solchen Song ihr Eigen nennen zu dürfen. Jedoch sollte man spätestens an dieser Stelle auch erwähnen, dass die Verfechter handgemachter Musik bei den doch vorrangig eingesetzten Sample-Imitationen üblicher Musikgerätschaften nur bedingt auf ihre Kosten kommen - wenngleich ich daran zweifeln möchte, ob dieser Personenkreis überhaupt zu den potenziellen Interessenten zählt.

Auch in „Birthday Boy“ (vorsicht; das nur wenig sensibel dargebotene Zitterspiel im Intro reizt zum übereilten skippen) verdeutlicht das Pop-Duo, dass sich Reife  durchaus in musikalischer Authenzität  wiederfinden kann. Herrlich melancholisch und mit tiefer Stimme führt Tennent wie ein gut gelaunter Cave durch die baladeske 7 (!) Minuten Nummer. Im Refrain zeigen die Herren dann, warum sie es bereits unzählige Male auf den Thron der Charts geschafft haben. Das todsichere Gespür für Melodiebögen, die sich nach einmaligen Genuss sofort im Gehör festsetzen, wurde keinesfalls verlernt.  

Das sich Lokalpatriotismus im britischen Königreich durchaus auch in Popmusik wiederfinden darf und dabei keineswegs peinliche Beklemmungen auslösen muss, lässt sich anhand des stark hitverdächtigen „London“ belegen. Die alles andere als neblig, trübe  arrangierte Stadthomage zaubert den Hörer direkt an den sommerlichen Themse-Strand und würde sich auch ideal zur Untermalung einer visuellen Touristikinformation eignen. Einfach nett...

Das etwas befremdliche „E-Mail“ wirkt jedoch so, als hätten die beiden Herren soeben einen Internetkurs für Senioren absolviert und müssten nun die gewonnenen Erkenntnisse moderner Kommunikation euphorisch an die „unwissenden“ Mitbürger weitergeben. Trotz der in der Popmusik geltenden lyrischen Zweitrangigkeit, stösst das thematisch bewusst erzwungene „Modernsein-Feeling“ irgendwie ab.

Über das überflüssige „Samurai In Autum“ und das noch überflüssigere „Here“, scheinbar zwei vergessene Demos aus den frühen 80er Jahren,  sieht man bei der prozentualen Überlegenheit guter Songs  gerne hinweg.

So knüpfen die beiden letzten (wieder ruhigeren)  Stücke „The Night I Fell In Love“ und „You Choose“ mit erwachsenem Arrangement und authentischer Leichtigkeit an das erste Drittel des Albums an. 

Untem Strich bleibt RELEASE ein insgesamt hörenswertes Popalbum, dem auch der übertriebene Einsatz synthetischer Gitarrensamples nicht wirklich etwas anhaben kann. So kommen die meisten Songs überwiegend ohne spektakuläre Soundtüfteleien und pathetischem Gehabe aus und klingen im Vergleich zu früheren Produktionen angenehm schlicht und sehr viel reifer. Nicht unbedingt spektakulär aber doch überraschend anders. Versetzt in die nächste Klasse... 


Ballfieber: Bowie eröffnet die Weltmeisterschaft 2006

Gibt es vorher „das Wunder von Scheeßel“?

07.06.2004 / Hamburger Morgenpost

 

Wie sich doch die Zeiten ändern: der ehemalige „Thin White Duke“ als Repräsentant der Fußballweltmeisterschaft! Noch vor 25 Jahren eine geradezu paradoxe Vorstellung – heute Realität. Mit der Verpflichtung David Bowies, die WM 2006 in Berlin musikalisch zu eröffnen, haben die verantwortlichen Funktionäre erst kürzlich für eine Überraschung gesorgt. „Eigentlich wollte ich ja als Spieler dabei sein, aber meine Leberwerte waren einfach zu schlecht“, kommentierte der Ex-Junkie seine „WM-Teilnahme“ augenzwinkernd. Schade, denn das britische Urgestein wäre bestimmt nicht nur optisch eine Bereicherung für das Beckham-Team gewesen. Schließlich beweist der fast 60-jährige Rockstar bei seinen Auftritten, dass er auch konditionell noch immer in bester Verfassung ist.

Seit fast 10 Monaten tourt Bowie nun schon mit seiner „Reality“ Show über den Globus. Anzeichen von Müdigkeit oder Erschöpfung – keine Spur! Nachdem er bereits im vergangenen Herbst die Hamburger Fans in der Color Line Arena begeisterte, kehrt er zum Ende seiner Tour noch einmal in den Norden Deutschlands zurück. Keine Frage, mit Bowie haben die Veranstalter des Hurricane-Festivals einen würdigen Headliner am Start. Wer bereits in Hamburg dabei war, weiß, dass der Altmeister im Rahmen seiner spektakulären Show keine Wünsche offen lässt. So wird das Publikum mit der ganzen Bandbreite seines fast 40-jährigen künstlerischen Schaffens konfrontiert. Ob Zwitterwesen Ziggy Stardust, Mister Young American oder eben der bleiche Thin White Duke, sie alle werden noch einmal zum Leben erweckt. Dazu Bowie-Hits am Fließband und viele Überraschungen.

Dass allerdings die Völler-Elf bei einem vorzeitigen EM-Aus in Scheeßel auf der Bühne stehen wird, um dann mit dem neuen „Fußball-Repräsentanten“ gemeinsam dessen  Heroin-Klassiker „Heroes“ anzustimmen, bleibt ein Gerücht. Den Auftritt Bowies sollte man sich dennoch keinesfalls entgehen lassen. Schließlich wird es wohl erstmal einer der letzten dieser Art sein, bevor sich der Meister dann für längere Zeit ins „Trainingslager“ begibt.  


„Das Beste ist immer innen drinnen“

Michy Reincke lässt die Herzen sprechen – heute in der Musikhalle

26.05.2004 / Hamburger Morgenpost

 

Wenn sich einer mit Herzensangelegenheiten auskennt, dann er: Hamburgs Pop-Poet Michy Reincke. Das Herz ist bei ihm Programm – und laut hat er es schon immer gemacht. Das ist auch auf seinem neuen Album, dem bereits achten seit Felix de Luxe, nicht anders. Trotzdem: „Mach Dein Herz laut“ ist unprätentiöser und  gelassener als alle Vorgänger. Reincke ist erwachsen geworden und beschränkt sich zunehmend auf das Beobachten, anstatt zu kommentieren. Eine Gabe! Wie kaum ein anderer blickt er dabei auch immer wieder hinter die Fassade des Menschen. „Schließlich ist das Beste immer innen drinnen“, wie der studierte Psychologe weiß.

Seit über 20 Jahren begeistert Reincke nun schon mit seinen musikalischen Dichtungen. Daneben hat er sich als Produzent, Texter, Komponist oder Boss seines Labels Rintintin immer auch um andere gekümmert. Dass man ihn häufig auf die Stimme von „Taxi nach Paris“ reduziert, nimmt er mittlerweile gelassen. Ist der Song doch so etwas wie „ein alter Freund“ geworden.

Freunde haben sich auch zu seinem großen Konzert heute in der Musikhalle angesagt. So dürfen wir uns unter anderem auf einen Gastauftritt von Regy Clasen freuen. Wer dabei sein möchte, wie der symphatische Tausendsassa Reincke den Verstärker seines Herzens aufdreht, schickt noch heute ... Mopop verlost 10 Tickets ....


Besuch der Perlentaucher

Morcheeba öffnen am 17. November im CCH ihre Schatztruhe

 01.11.2002 / Hamburger Morgenpost

 

Gerade als Mitte der neunziger Jahre die Trip Hop-Bewegung ihre Hochphase erreicht hatte und langsam drohte, in wahllos zusammen gestückelten Klangkollagen sample- und hanfsüchtiger Computermusiker unterzugehen, machte das Londoner Trio Morcheeba mit einer eigenen Interpretation des sog. Bristol Sounds auf sich aufmerksam. Dem Genre zwar verbunden, stellten Morcheeba bereits auf ihrem Debut „Who Can You Trust“ klar, dass sich ihre Musik nur schwer in eine Schublade stecken ließe und eine klare Weiterentwicklung des bis dato geltenden Trip Hop Konzeptes war.

Während ihre kleinpupilligen Kollegen noch immer von Plattengeknister, Sprachsamples und Transitorradiosound angetan waren, setzten Morcheeba von Anfang an auf Songwriting, Experimentierfreude und Bandperformance. Die damals noch sehr düsteren und von tiefgreifender Melancholie getragenden Songs verschafften dem Trio um Sängerin Skye Edwards auf Anhieb Kultstatus.  Mit dem 1998 veröffentlichten Nachfolger „Big Calm“ gelang Morcheeba dann auch international der große Durchbruch und mit der Hitsingle „Rome Wasn´t Build In A Day“ aus dem souligem „Fragments Of Freedom“, verabschiedeten sich Morcheeba endgültig aus der ihnen zugeteilten Nische des Independent.

Der wie so oft zu erwartende musikalische Qualitätseinbruch blieb aus. Das Vorurteil, man müsse arm sein, um gute Musik zu machen, konnte auch mit dem aktuellen und  südamerikanisch beeinflussten Werk „Charango“ eindrucksvoll widerlegt werden. So sind auch auf diesem Album etliche Schätze enthalten, die sich erst nach mehrmaligem Hören richtig entfalten. Längst ist die düstere Stimmung früherer Tage einem enspannteren und teilweise sogar positivem Lebensgefühl gewichen, was keineswegs unangenehm sein muß. Gitarrist Ross Godfrey und Bruder Paul, die beiden musikalisch Köpfe der Band, haben die Musik von Album zu Album weiterentwickelt. Danach gefragt, wie man sich das Songwriting bei Morcheeba vorstellen müßte, antwortete Ross Godfrey einmal, dass sie „alle drei Perlentaucher wären, die solange unter Wasser blieben, bis sie die schönsten Perlen gefunden hätten ...“

Nun stellen Morcheeba ihre neuen Perlen live vor und werde am 17. November auch  Hamburg beehren. Wer schon mal auf einem Morcheeba Konzert war, weiß, dass man sich auf eine ausgesprochen stimmungsvollen und relaxten Abend freuen darf. So funktionieren ihre Songs live besonders gut, was Morcheeba in den vergangenen Jahren auch in Hamburg immer wieder unter Beweis stellten. Und glaubt man den Aussagen des Trios, nach dieser Tour, eine mehrjährige Schaffenspause einlegen zu wollen, sollte man sich den Auftritt im CCH (Saal 3) unter gar keinen Umständen entgehen lassen.


Die Reifeprüfung

Umjubelter Auftritt von Morcheeba im CCH

20.11.2002 / Hamburger Morgenpost

 

Gewiss, es gibt in Hamburg Veranstaltungsorte, die zu einem Morcheeba Konzert vermutlich besser gepasst hätten, als der doch eher biedere, wenn auch gut gefüllte, Saal 3 des CCH. Doch wer geglaubt hätte, die raumgegebene Schulaula-Atmosphäre (Rauchen verboten!) würde sich in irgendeiner Weise auf die Performance der Künstler auswirken, wurde eines besseren belehrt.

Gut gelaunt und mit exzellenten Live-Musikern verstärkt, begeisterten die drei Morcheebas – allen voran die überaus charismatische Skye Edwards - fast schon gewohnheitsmäßig das Hamburger Publikum und stellten einmal mehr unter Beweis, dass ihre Songs live besonders gut funktionieren.

Schneller und grooviger als auf CD gehen Morcheeba auf der Bühne zu Werke. Im Mittelpunkt der (leider nur) gut 1 ½ stündigen Show, standen dabei vor allem die Stücke des neuen Albums „Charango“, wobei natürlich auch Morcheeba-Klassiker, wie „Over and over“, „Friction“ oder „Love sweet love“ (live ein absoluter Hammer) nicht fehlen durften.

Krönender Abschluß eines überaus gelungenen Konzertabends, war das vom Publikum frenetisch gefeierte „Rome wasn´t build in a day“, bei dem sich selbst der sonst eher coole und kettenrauchende Gesichtsmimik-Legastheniker Paul Godfrey zu einer überaus bemerkenswerten Tanzeinlage hinreissen ließ.

Spätestens nach diesem Konzert, dürfte klar geworden sein, dass Morcheeba mittlerweile zu den Großen ihrer Zunft gehören und den Wandel von einer Clubband zum anspruchsvollen Mainstream schadlos überstanden haben, was durchaus nicht selbstverständlich ist.

 


Das Wiehern nicht verlernt 

Fury In The Slaughterhouse begeistern im Hamburger Stadtpark

27.05.2005 / Hamburger Morgenpost

 

Kompliment! Das was die Jungs von Fury In The Slaughterhouse am Donnerstag im Stadtpark ablieferten, war aller Ehren wert. Gut gelaunt und spielfreudig wie schon lange nicht mehr, präsentierte sich das Sextett aus der Kanzlerstadt einem begeisterten Hamburger Publikum. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Hatte man in den letzten Jahren doch zunehmend das Gefühl, dem gereiften Pferdchen sei ein wenig die Puste ausgegangen. Doch statt fettarmer Salami in Scheiben gab es kraftvolle Galoppdarbietungen par excellence. Fury lebt – und wie!

Da störte es auch nicht weiter, dass der holländische Supporting Act Spanner zuvor vergeblich versuchte, das witterungsbedingt frierende Publikum mit muskulösem Stadionrock zu erwärmen. Obwohl breitbeinig und genitalfixiert formvollendet vorgetragen, wollte der Funke einfach nicht überspringen. Das änderte sich schlagartig, als der wummernde Bass von „Protection“, der aktuellen Fury-Single, aus den Boxen dröhnte. „Back to the roots“ war das Motto des Abends und so fügten sich die erfreulich kraftvollen Songs des neuen Albums „Nimby“ problemlos in die Riege zahlreichen Klassiker wie „Radio Orchid“, „Won´t forget these days“ oder „Time to wonder“. Immer wieder lautstark unterstützt von den knapp 4.000 textsicheren Zuschauern, zeigte die sympathische Band, dass man live zweifelsohne noch immer zu den besten Rock-Acts die dieses Landes gehört.

Nein, Fury hat das Wiehern nicht verlernt und bevor der schwarze Hengst endgültig der gefürchteten Wurstmaschine zum Opfer fällt, wird hoffentlich noch einige Zeit vergehen.   


Immer ein bisschen neben der Spur

„Meckerziege“ Roger Chapman röhrt die Fabrik

02.05.2003 / Hamburger Morgenpost

 

Sein Markenzeichen: das unverwechselbare rauhe Timbre in der Stimme. Von Fans deshalb auch schon mal liebevoll als „Meckerziege“ bezeichnet, gehört Roger Chapman mittlerweile fast vierzig Jahre zum festen Bestandteil britischen Rockexports. Warum es Chapman dennoch nie so ganz bis in die bel étage seiner Zunft  schaffte, bleibt ein Rätsel. Vielleicht lag es ja daran, dass er sich im Gegensatz zu Kollegen wie Joe Cocker oder Phil Collins musikalisch immer ein kleines bisschen neben der Mainstream-Spur bewegte – ausgenommen natürlich die 80‘er Hymne „Shadows on the wall“.

Dass der Altmeister zusammen mit seiner Band The Shortlist besonders live einen excellenten Ruf genießt, beweisen die immer noch vollen Hallen in ganz Europa. Kein Zweifel: „Chappo“ hat sein Publikum. Und während sich die alternden Berufskollegen langsam in den Ruhestand zurückziehen, tingelt Mr. Reibeisenstimme noch immer fleißig durch die Lande. Frei nach dem Motto „Rock hält jung“, wirbelt Energiebündel Chappo wie ein junger Gott über das Parkett und könnte mühelos in jeder Boygroupe bestehen. So sind seine fast dreistündigen Shows auch eher für das mittlerweile in die Jahre gekommene Publikum eine konditionelle Herausforderung. Wer über genügend Kraftreserven verfügt, findet sich heute Abend zum 25jährigen Bühnenjubliäum von The Shortlist in der Fabrik ein.


Moby auf der Suche nach Fleisch ...   

11.06.2002 / Spex

 

Sommer 1999: kein Ort an dem nicht ein Song des Megasellers PLAY aus irgendwelchen Boxen schallte. Ob im Fahrstuhl, in der U-Bahn, im Auto – nirgendwo war man sicher. Selbst die Werbefilmer hatten das Werk des überzeugten Veganers für sich entdeckt und benutzten musikalische Zitate des selbigen in jedem 2. Spot zur Untermalung ihrer visuellen Kaufbotschaften. Quer durch alle Schichten war eine regelrechte „Moby-Mania“ ausgebrochen.

Mobys Konzept war dabei gleichsam einfach wie wirkungsvoll: So fügte er verschiedende Gesangsschnipsel alter Gospel- und Motownaufnahmen zusammen, unterlegte diese mit variationsarmen Drumloops (durchschn. 100bpm) und spielte noch ein paar nette Streicherflächen dazu – fertig!  Und so wurde PLAY weltweit nicht nur eines der erfolgreichsten Alben der 90er Jahre, sondern katapultierte den bis dahin nur in Insiderkreisen bekannten Wahl-New Yorker  auch direkt in die 1. Liga der Musikermillionäre.

Nun also nach 3 Jahren legt Moby mit 18 den langerwarteten Nachfolger vor und – um es  vorwegzunehmen – entäuscht. Natürlich konnte man nach dem grossen Erfolg von PLAY nicht unbedingt Experimentelles erwarten. Jedoch gab das vorab veröffentlichte „We Are All Made Of Stars“ durchaus noch Anlass zu hoffen. Manche meinten sogar den neuen Bowie ausfindig gemacht zu haben. Doch subtrahiert man das Album um diesen Song entsteht  fast der Eindruck, als handele es sich bei 18 um die B-Sides-Compilation des Vorgängers.

So wirken die Stücke thematisch überwiegend ausgereizt und durchschaubar. Kaum ein Song, den es nicht ähnlich schon auf PLAY gegeben hat, kaum eine Idee, die nicht schon auf dem selbigen verarbeitet wurde. Neben dem bereits erwähnten „We Are All Made Of Stars“ finden allenfalls die wenigen melancholischen und zumeist klavierorientierten „Soundtracks“ wie „Fireworks“ oder das Titelstück gefallen. Ansonsten folgt man dem einstigen Musik-Pionier eher gelangweilt durch dessen Wiederholungstaten, vergeblich darauf wartend, doch noch interessante musikalische Nuancen zu entdecken, die den Zuhörer aus der Lethargie einer in Tiefschlaf versetzten Märchenprinzessin befreien.

Ohne ein zu hohes Risiko einzugehen, wählt Moby 2002, wie viele seiner über Nacht zu Mega Stars avancierten Kollegen, den Weg des geringsten Widerstandes. So ist auf 18 nichts dem Zufall überlassen. Unterstellte man dem spartanisch produzierten PLAY noch eine naive und jungfräuliche aber eben genau deshalb reizvolle Unbedarftheit, wirkt die Grundstimmung auf 18  bewusst erzwungen.

So richtig verübeln kann man Moby seine Eigenklonisierung aber trotzdem nicht. Schließlich hat sein Konzept ja auch bestens funktioniert und im Gegensatz zu dem ständig nach kreativer Innovation lechzenden Kritiker, möchte der Endverbraucher commerzieller Musikware auch entsprechend bedient werden. Vielleicht ist ja auch die Extrem-Penetration von PLAY daran Schuld, dass die Songs des neuen Albums einfach nicht mehr zeitgemäß erscheinen. So klingt die gestern noch stark von Fans und Kritikern gleichsam bewunderte spartanische Produktion heute irgendwie nach schlechten Demoaufnahmen pubertierender Computerfreaks.    

Der Vollständigkeit sei erwähnt, dass auch der Einsatz von (lebenden) Gastinterpreten, wie bspw. Sinned O`Connor nicht wirklich etwas am negativen Gesamteindruck von 18 ändert. Trotzdem sollte keinesfalls auf Gäste verzichtet werden, da sie uns davor bewahren, dass der Meister (wie geschehen) selber Hand ans Mikrophon legt.

Vielleicht sollte Moby vor der nächsten Studiosession mal wieder ein gutes Steak zu sich nehmen. Ansonsten bleibt zu befürchten, dass der doch so Begabte auch weiterhin so klingt wie seine Mahlzeiten; blutarm und ohne Eier ...


Nicht nur was für Königstreue: The Queen Symphony

26.11.2001 / Hamburger Morgenpost

 

Er war unbestritten eine der schillernsten Persönlichkeiten der Musikszene: Freddie Mercury, Sänger und Frontman der britischen Rockgruppe Queen. Mit Hits, wie „Who Wants To Live Forever“, „Under Pressure“ oder dem Fußballklassiker „We Are The Champions“ begeisterten Mercury und seine Mannen ein Millionenpublikum. Dabei waren es vor allem die deutlichen Anleihen aus der klassischen Musik, die den typischen Queen Sound so unverkennbar machten. Mit fast wagnerischem Gespür für das Monumentale und einem ordentlichen Schuss Ironie, arrangierten Queen ihre Rockstücke zu kleinen Opern („Bohemian Rhapsody“).

Heute, genau elf Jahre nach dem tragischen Aids-Tod Mercurys (24.11.91), scheint der Queen-Boom noch immer ungebrochen. Nach den diversen Greatest Hits Alben der vergangenen Jahre sowie  dem Erfolgsmusical „We Will Rock You“, das seit geraumer Zeit in London läuft, legt nun die EMI Classic mit „The Queen Symphony“ ein wirklich außergewöhnliches und von Songs der Rockgruppe inspiriertes Orchesterwerk auf CD vor. Das modern-klassische Werk in sechs Sätzen, dass keinesfalls mit den üblichen und schlagzeuguntermalten „Pop meets Classic“-Veröffentlichungen zu verwechseln ist, unterstreicht die bereits erwähnte Symbiose von Queen Songs und E-Musik. So fügt der in London geborene Komponist Tolga Kashif die verschiedenen Melodien der Rockgruppe zu einem erstaunlichen symphonischen - und vor allem für sich selbst stehenden - Klangerlebnis zusammen. Eine Empfehlung nicht nur für Queen Fans, sondern für alle, die Gefallen an opulenter Orchestermusik haben. Und da sage noch einer, die englische Monarchie hätte ausgedient ... 


Keimfrei und fahrstuhltauglich

Toto veröffentlichen Cover Album

 14.10.02 / NME                      

 

Nun also auch Toto! Nachdem bereits die meisten ihrer Kollegen aus den achtziger Jahren den Offenbarungseid für ausbleibende Kreativität leisteten, legen nun auch die einstigen Studioikonen Hollywoods  mit „Through The Looking Glass“ etwas nachgespieltes vor. Dieses verwundert kaum, da die Band um Ausnahmegitarrist  Steve Lukather schon auf den Alben der letzten 10 Jahre nicht wirklich vor neuen Ideen strotzte. Mit dem gewohnt handwerklichen Können vorgetragen, klingen die 11 Covers überwiegend steril und unspannend. Ursprünglich als Homage an ihre musikalsichen Vorbilder gedacht, verarbeiten Toto  Perlen der Rockmusik, wie „While My Guitar Gently Weeps“ (George Harrison), „Burn Down The Mission“ (Elton John) und sogar Elvis Costellos „Watching The Detectives“ zu keimfreier und fahrstuhltauglicher Gebrauchsware. Hinzu kommt, dass die „Rosanna“-Rocker nur selten zu interpretieren versuchen, sondern sich überwiegend an das Arrangement der Originale halten. So muß die kreativste Phase bei der Entstehung dieses Albums wohl die Suche nach einem geeigneten Titel gewesen sein.


Live on a Saturday

Cultured Pearls laden zum Muschelschlürfen in die Große Freiheit

05.02.2003 / Hamburger Morgenpost

 

Die lange Pause hat ihnen gut getan. Reifer und homogener als zuvor klingen die Cultured Pearls auf ihrem aktuellen Album „Life On A Tuesday“, das sie heute Abend dem Hamburger Publikum präsentieren werden.

Ganze drei Jahre haben sich die Perlen vom gemeinsamen Muschelleben zurückgezogen, um sich der individuellen Selbstverwirklichung oder dem Kindergebähren zu widmen.

Doch trotz Lullabies und neuem Sound, trägt auch „Life On A Tuesday“ die unverkennbare Handschrift seiner drei Protagonisten. So belegen die Cultured Pearls mit ihrer unprätentiösen Mischung aus Soul, R’n’B und Jazzpop nicht nur seit 10 Jahren eine eigene Sparte in der deutschen Musiklandschaft, sondern bilden nach wie vor einen wohltuenden Kontrapunkt zu Computersound und Retortenbands.

Dass das Soulpop-Trio um die charismatische Ausnahmesängerin und Jungmutter Astrid North darüber hinaus den Ruf genießt, ein besonders exzellenter Live-Act zu sein, wird es heute Abend beim Abschlusskonzert ihrer Deutschlandtour in der Großen Freiheit unter Beweis stellen. So sind es vor allem die Radiohits und Klassiker, wie „Sugar Sugar Honey“ oder „Tic Toc“, die live extrem funky dargeboten werden.

Zu Hamburg haben die Zuchtperlen übrigens ein ganz besonderes Verhältnis: war es doch der Studiengang für Popularmusik an der hiesigen Musikhochschule, bei dem sich Multi-Instrumentalist Tex Super und Schlagzeuger B. La Anfang der 90er Jahre das erste mal über den Weg liefen und damit den Grundstein für die Gründung der Band legten.

Beste Voraussetzungen also für einen kulinarischen Hochgenuss. Auf zum Muschelschlürfen!


Being John Malkovich

Die Electro Popper „And One“ gastieren in der Markthalle

14.04.2004 / Hamburger Morgenpost

 

Wahrlich harte Zeiten für Steve Naghavi, dem Frontman und Songwriter des Berliner Electro Pop Trios And One. Kurz nachdem man im Sommer 2001 mit den Aufnahmen des aktuellen und bereits siebten Longplayers „Aggressor“ begann,  bekam das im Iran geborene Mastermind der Band die Auswirkungen der BKA-Anti-Terror- Rasterfahndung im Zuge der Anschläge vom 11. September am eigenen Leib zu spüren. Die Mitgliedschaft in einer Flugschule und häufige Wohnsitzwechsel scheinen ausgereicht zu haben, dass man sich im hessischen Wiesbaden nicht nur für Naghavis musikalische Aktivitäten interessierte. „Ich kam mir vor wie John Malkovich, eines Morgens wachst du auf und bist jemand anders. Nichts scheint wie vorher und alles wird in Frage gestellt.“ Die Aufnahmen wurden erstmal auf Eis gelegt. Wie soll man sich auch bitteschön aufs Musikmachen konzentrieren, wenn parkende Autos mit beschlagenen Scheiben und Funktürmen auf dem Dach vor dem Studio stehen, Dispositionskredite plötzlich aufgekündigt werden oder es im Telefonhörer verdächtig knistert. Auch das Scheitern von Naghavis Ehe gab nicht unbedingt Anlass zum Frohsinn und so war es nur verständlich, dass man sich erstmal eine längere Pause verordnete.

Im vergangenen August meldeten sich die deutschen Vorzeige-EBMler von And One dann aber endlich zurück. Nach diversen Anläufen fand das Album „Aggressor“ schließlich doch noch den Weg in die Plattenläden. Tonal deutlich aggressiver als seine Vorgänger und mit ausschließlich deutschen Texten versehen, ist das Album für And One ein persönliches „coming-home“ und erinnert stark an deren Anfänge – wohl auch deshalb, weil mit Urgestein Chris Ruiz ein Mitbegründer in die Band zurückkehrte. Düster, eckig, steril und dennoch verdammt eingängig – das ist das Erfolgsrezept der Band, die musikalisch teilweise noch immer an die frühen Depeche Mode erinnert.

Dass die mittlerweile gereiften Herren für ihre erstklassige Live-Performance bekannt sind, werden sie heute Abend in der Markthalle unter Beweis stellen. Übrigens passt es ins Bild, dass die ursprünglich für Januar geplante Tour kurzfristig verschoben werden musste, da sich Pechvogel Naghavi bei einem Autounfall in der Silvesternacht mehrere Prellungen und eine Sprunggelenksverletzung zuzog. Heute Abend jedenfalls möge die Fortuna einen fetten Gruß in die Markthalle schicken ...


Die Rückkehr des Gummidaumens

Mark King und Level 42 laden zum 80´er Revival in die Große Freiheit

04.07.2000 / Szene

 

Eigentlich wollte Mark King lieber Schlagzeuger werden und auch das Singen war nicht unbedingt seine Sache. Das es manchmal im Leben anders kommt als man denkt, mußte auch King erfahren und so entpuppte sich sein Griff zum Vierseiter und Mikrophon – eigentlich als Übergangslösung gedacht, da sich niemand für den Job fand - als großes Glück.

Ende der siebziger Jahre gegründet, anvancierten Mark King und seine Band Level 42 zum erfolgreichsten britischen Funkexport der 80´er Jahre und begeisterten Kritiker und Publikum gleichermaßen. Allen voran King, der den Bass mit seinem Gummidaumen in fast parikinsonschen Dimensionen prügelte und damit zum Vorbild einer ganzen Generation von Jungbassisten wurde.

Mit ihrer damals sehr innovativen Mischung aus Jazz, Funk und Pop schlugen Level 42 gekonnt die Brücke zwischen Anspruchsvoll und Kommerz und erreichten mit Hits wie „Lessons In Love“, „Something About You“, oder „Running In The Family“ sogar die vordersten Ränge der Hitparaden.

Mittlerweile ist es etwas ruhiger um den symphatischen Antistar King und seine Band geworden.  Ein paar Soloalben des Bassvirtuosen mit nur mäßigem Erfolg, sowie die üblichen „Best Of“ Compilations zu Weihnachten waren alles, was dem geneigten Gefolge blieb. Doch nun wollen es Level 42 noch einmal wissen und laden zur großen Revival-Party in die Freiheit ein. Im Gepäck: viele Hits und Nostalgie. Für Fans der 80´er Jahre und Daumenwackler ein absolutes Pflichtprogramm.  


Richtungswechsel? Laith Al-Deen träumt von Heavy Metal

Ausverkauft: die beiden Konzerte in der Großen Freiheit

21.04.2003 / Hamburger Morgenpost

 

Auch wenn es nicht ganz gereicht hat, um Deutschland beim diesjährigen Grand Prix zu vertreten – Laith Al-Deen gehört mittlerweile zu den richtig Großen hier im Lande. So stieg sein aktuelles Album „Für Alle“ ohne Umwege auf die Pool-Position der deutschen Charts ein und knüpfte somit nahtlos an den Erfolg des Vorgängers „Melomanie“ an. Auch die Tour war in nur wenigen Tagen komplett ausverkauft. Wohl dem also, der für eines der beiden Hamburger Konzerte, heute und morgen in der Großen Freiheit, eine Karte ergattern konnte.

Bei so viel Erfolg müsste man annehmen, dass der 32jährige Wahl-Mannheimer mit der Schmusestimme wunschlos glücklich sei. Doch auch Al-Deen hat noch Träume: So ließ er unlängst verlauten, dass es sein größter Wunsch wäre, ein Heavy Metal (!!!) Album einzuspielen. Doch gemach, gemach, meine Damen. Bloß kein vorschnelles Gezeter! Bis die ersten Reihen auf einem Al-Deen Konzert von headbangenden Hartrockern blockiert werden, bleibt sicher noch ein wenig Zeit. Auch wenn sich Al-Deen im Vergleich zum Vorgänger auf „Für Alle“ musikalisch weiterentwickelt hat – mehr Pop statt Soul schien die Devise – und hier und da verzerrte Gitarren erklingen, ist ein wirklich krasser Richtungswechsel noch nicht auszumachen. Und so darf man sich heute und morgen sicherlich auf entspannte Konzertabende freuen, bei dem Magier Al-Deen zusammen mit seiner vorzüglichen Band eher die Herzen als die Verstärker zum Schmelzen bringen wird.